Gesamtedition der lateinischen und deutschen Werke Paul Flemings mit Übersetzung der lateinischen Werke

DFG-Projekt: Gesamtedition der lateinischen und deutschen Werke Paul Flemings mit Übersetzung der lateinischen Werke

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Allgemeine Beschreibung des Vorhabens

Der Dichter Paul Fleming (1609–1640) gilt als Schlüsselfigur der frühbarocken Lyrik und als bedeutendster Vertreter des literarischen Neostoizismus. Sein außerordentliches lyrisches Œuvre, das in seiner Vielschichtigkeit und kulturgeschichtlichen Relevanz nur von sehr wenigen literarischen Werken des 17. Jahrhunderts übertroffen wird, verknüpft antike mit zeitgenössischen poetischen Strömungen, verbindet lateinische Dichtungstradition mit den Anfängen volkssprachlicher Nationaldichtung und reflektiert in seltener Weise die typischen literarischen, künstlerischen, wissenschaftlichen und konfessionellen Diskurse seiner Epoche. Fleming bildet dabei nicht nur das Zentrum des mitteldeutschen Poetennetzwerks, sondern macht als Teilnehmer einer mehrjährigen Handelsexpedition nach Russland und Persien auch für seine Zeit außergewöhnliche Erfahrungen des Fremden und hält diese poetisch fest.

Trotz der großen Bedeutung, die Paul Fleming in der germanistischen und latinistischen Literaturwissenschaft sowie der Frühneuzeitforschung allgemein beigemessen wird, ist sein Œuvre nur in einer stark revisionsbedürftigen Edition aus dem 19. Jahrhundert (Lappenberg) zugänglich. Um dem schon lange angemahnten Desiderat einer modernen Ansprüchen genügenden Ausgabe nachzukommen, verfolgt das DFG-geförderte Projekt die Gesamtedition der lateinischen und deutschsprachigen Werke Paul Flemings mit Übersetzung der lateinischen Werke sowie ausführlichem Kommentar und Indizes zum Gesamtwerk. Dabei soll die Neuedition, im Unterschied zur Ausgabe Lappenbergs, sowohl den Gelegenheitscharakter der einzelnen Schriften als auch Flemings Konzept eines Gesamt-Œuvres abbilden. Die Texte werden in Orthographie und Interpunktion modernen Editionsprinzipien angepasst, neu entdeckte Überlieferungen werden integriert und rezente Forschungsbeiträge in der Kommentierung berücksichtigt. Um Flemings Werk dabei optimal gerecht zu werden, ist ein Hybrid aus gedruckter und digitaler Edition geplant.

Paul Fleming

Paul Fleming, der 1609 als Sohn eines protestantischen Pfarrers und einer gräflichen Kammerzofe in Hartenstein geboren wurde, konnte sich schon früh einer seinen Talenten entsprechenden Ausbildung widmen. Nach dem Beginn seines Bildungsweges an der Stadtschule Mittweida und der Thomasschule in Leipzig, wo er u.a. vom Thomaskantor Johann Hermann Schein unterrichtet wurde, erlangte er für die Jahre 1627-1631 ein Stipendium des Hauses Schönburg-Wechselburg, sowie ein kurfürstliches Stipendium für die Jahre 1628-1633. Im universitären Studium widmete er sich sowohl der Literatur als auch der Medizin. Im Literaturstudium erwarb er 1632 das Bakkalaureat und 1633 den Magistergrad. Zu seinen Poetikprofessoren in Leipzig zählten Stephan Verbesius und Christoph Buhle. Durch die Kontakte, die er bereits in seiner Leipziger Zeit knüpfte, z.B. zu Gottfried Finckelthaus oder seinem engen Freund Georg Gloger, machte er sich schon früh zu einer zentralen Figur des mitteldeutschen Poetennetzwerkes. In den Jahren 1633-1639 erhielt Fleming die Gelegenheit, als „Hof-Juncker und Truchseß“ an einer holsteinischen Gesandtschaft teilzunehmen. Ziel der Reise, die unter Führung des Diplomaten Philipp Crusius (1597-1676) und des Kaufmanns Otto Brüggemann (1600-1640) untergenommen wurde, war die Einbindung der schleswig-holsteinischen Herzogtümer in den lukrativen Orienthandel durch die Erschließung neuer Handelswege. Die Reise führte von Travemünde über Riga und Nowgorod nach Moskau, von dort wieder zurück nach Reval (heute Tallinn), wo die Gesandtschaft ein Jahr (1635-1636) verweilte. In Reval verkehrte Fleming nicht nur in den dortigen gebildeten Kreisen und knüpfte Bande u.a. zu den Professoren und Dichtern Timotheus Polus und Reiner Brockmann, sondern pflegte zudem Beziehungen zur Familie des Kaufmanns Heinrich Niehusen, zu dessen Töchtern Elsabe und Anna er eine enge Bindung aufbaute. 1636 brach die Gesandtschaft ein weiteres Mal nach Moskau auf, um dann über die Wolga und das Kaspische Meer nach Isfahan zu gelangen. Es kam zu keinem Vertragsabschluss mit den Persern, sodass sich die Gemeinschaft auf gefährlichem und entbehrungsreichem Weg zurück nach Reval begab. Dort verlobte sich Fleming 1639 mit Anna, der jüngsten Tochter Niehusens. Im selben Jahr reiste er über Gottdorf und Kiel nach Leiden, wo er sich immatrikulierte und seine Doktorwürde in der Medizin erhielt. Auf der Rückreise nach Reval, wo er den Posten des Stadtphysikus antreten sollte, starb Fleming schließlich 1640 in Hamburg an den Folgen einer schweren Erkältung.

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© Autograph MS Ratschulbibliothek Zwickau

Überlieferung und bisherige Edition

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© Titelblatt des Suaviorum Liber, Leipzig 1631

Die Überlieferungssituation der Schriften Paul Flemings ist durchaus komplex. Erhalten sind ungefähr 950 lat., sowie über 500 dt. Gedichte, darüber hinaus einige Briefe und Prosaschriften. Über 200 lat. Epigramme und mehr als 160 dt. Gedichte müssen jedoch als verloren gelten. Es entstand keine Gesamtausgabe der dt. oder lat. Werke Flemings zu Lebzeiten, jedoch jeweils eine postume Ausgabe der meisten deutschen Gedichte (1646) sowie seiner lateinischen Epigramme (1649), und zwar wahrscheinlich in der vom Verfasser vorgesehenen Reihenfolge. Gelegenheitsdrucke entstanden vornehmlich in seiner Leipziger Zeit, da er während der Reise durch Russland und Persien kaum Gelegenheiten zur Veröffentlichung fand.

Die Ausgabe seiner deutschen und lateinischen Gedichte, mit der die Fleming-Forschung bislang arbeitet, ist die dreibändige Edition von Johannes Martin Lappenberg (1863-1865), die noch ganz auf die Anfänge neugermanistischer Editorik zurückgeht. Dass diese Ausgabe gemessen an den Möglichkeiten und Erfordernissen der Philologie des 19. Jahrhunderts vorzüglich ist, aber den Anforderungen einer modernen wissenschaftlichen Ausgabe keinesfalls mehr entspricht und dass eine neue Fleming-Ausgabe ein dringendes Desiderat der Fleming-Forschung darstellt, ist seit Jahrzehnten immer wieder festgestellt worden. Nebst anderen erscheint die Lappenberg’sche Ausgabe aus heutiger Sicht v.a. in folgenden Punkten defizitär:

  1. Die Gedichte wurden nicht in der wahrscheinlich vom Autor geplanten Anordnung publiziert, sondern es wurde zwar weitgehend (aber nicht durchgängig) die Bucheinteilung der überlieferten Sammlungen übernommen, innerhalb der Bücher jedoch eine dem Anspruch nach chronologische Anordnung vorgenommen, obwohl nur ein Teil der Gedichte vom Autor datiert oder überhaupt datierbar ist.
  2. Die Texte wurden in einer normierten Graphie und in einer modernisierten, interpretierenden, die lateinischen Texte manchmal sinnentstellenden Interpunktion ediert.
  3. Lappenbergs Edition erfolgte auf der seinerzeit ermittelbaren Textgrundlage. Inzwischen hat sich die Zahl der ermittelten Erstdrucke jedoch signifikant erhöht, so dass auf einer wesentlich breiteren Textgrundlage ediert werden kann.
  4. Zahlreiche lateinische und deutsche Gedichte und Prosaschriften fehlen entsprechend in Lappenbergs Ausgabe.
  5. Die für eine interdisziplinäre Nutzung zwingend erforderliche Übersetzung der lateinischen Gedichte ist ein Desiderat.
  6. Der Kommentar der über 150 Jahre zurückliegenden Ausgabe ist rudimentär, veraltet und an vielen Stellen fehlerhaft; die gesamte moderne Fleming-Forschung muss eingearbeitet werden.

Die Textgrundlage für eine Neuedition wurde durch die Verdienste zahlreicher Wissenschaftler*innen gelegt, die seit der Ausgabe Lappenbergs weitere Fleming-Handschriften und -Drucke ausfindig gemacht haben. Während die Edition der Neufunde meist mit den Anzeigen verstreut erfolgte, ist der umfangreiche Fund 20 deutscher und 30 lateinischer Fleming-Texte, von denen einer bis dato unbekannt war, ein Teil der sogenannten „Sammlung Gadebusch“, in Buchform publiziert worden (Garber, K.: Martin Opitz, Paul Fleming, Simon Dach. Drei Dichter des 17. Jahrhunderts in Bibliotheken Mittel- und Osteuropas, Köln-Weimar-Wien 2013 [Aus Archiven Bibliotheken und Museen Mittel- und Osteuropas. 4], S. 161-336). In dieser Edition sind die Gedichte editorisch kommentiert; den lateinischen ist eine deutsche Prosaübersetzung beigegeben. Ein Großteil der Fleming-Erstdrucke ebenso wie die Handschrift der lateinischen Gedichte (Gud. lat. 234) und die Edition der lateinischen Epigramme von 1649 sowie der Prodromus der deutschen Gedichte von 1641 sind in den letzten Jahren von den besitzenden Bibliotheken digitalisiert worden. Von der Ausgabe der deutschen Gedichte von 1646 existiert ein Neudruck. Die lateinischen Gedichte sind auf der Homepage des DFG-geförderten Projekts CAMENA. Lateinische Texte der Frühen Neuzeit der Universität Mannheim, im XML-Format verfügbar (https://www2.uni-mannheim.de/mateo/camena/AUTBIO/fleming.html), so dass mit dem hier vorgestellten Projekt ein früheres DFG-Projekt nachgenutzt werden kann.


Die Projektarbeit

Das Projekt verfolgt das Ziel einer umfassenden und aktuellen Standards entsprechenden Neuedition von Paul Flemings Gesamtwerk. Die Editionskriterien sollen dabei sowohl für die deutschen, als auch für die lateinischen Texte möglichst einheitlich sein. Aufgrund des beträchtlichen Umfangs des Textkorpus und des erheblichen Kommentierungsbedarfs ist mit einem Gesamtumfang von sieben Teilbänden mit jeweils ca. 500 Druckseiten zu rechnen. Geplant sind drei Bände für die deutschsprachigen Texte mit Kommentaren, vier für die lateinischen Texte einschließlich ihrer Übersetzungen und der zugehörigen Kommentare. Für die ausführliche Einleitung und die detaillierte Übersicht der Überlieferungsträger ist ein gesonderter Prolegomena-Band vorgesehen.

Die interdisziplinäre Editionsarbeit teilt sich auf Teams an drei universitären Standorten auf, die an unterschiedlichen Arbeitsbereichen, jedoch in enger Koordination und regelmäßigem Austausch arbeiten. Während sich das Projektteam der Heidelberger Germanist*innen mit den deutschsprachigen Texten Flemings befasst, diese kritisch ediert und kommentiert, verwaltet das Team des Center for Digital Humanities Trier die virtuelle Forschungsumgebung FuD („Forschungsnetzwerk und Datenbanksystem“), mit deren Hilfe die Edition hybrid aufgebaut werden kann.

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© Titelblatt Epigrammata Latina

Arbeitsprogramm des latinistischen Projektteams

Die latinistische Arbeitsgruppe der Universität Bonn nimmt entsprechend die lateinische Produktion Flemings in den Blick und verfährt dabei grundsätzlich nach folgenden Arbeitsschritten:

  • Kritische Edition aller bekannten Schriften Paul Flemings
  • Prosa-Übersetzung
  • Kommentar (gerichtet an nicht spezialisierte, jedoch mit der Literatur der frühen Neuzeit grundsätzlich vertraute Leser*innen)
  • Kontextualisierung (Einführung in Flemings Werk; Darstellung der Editions- und Überlieferungsgeschichte)


Besondere Relevanz für die latinistische Projektgruppe besitzt die genaue Übersetzung und die Kommentierung des Œuvres. Nicht allein ist Flemings schwieriges Latein heutzutage nur Spezialisten zugänglich, auch lässt sich sein Werk ohne eine angemessene Kommentierung, die unterschiedlichen Rezipient*inneninteressen gerecht werden muss, nur schwer erschließen. Für die bereits im 19. Jahrhundert übersetzten Teile der lateinischen Schriften Flemings ist eine vollständige Neuübersetzung erforderlich, weil diese Übersetzungen großenteils veraltet und zum Teil ungenau sind bzw. nur ganz freie Übertragungen präsentieren. Wichtige Grundlagen bilden hingegen die erwähnten Übersetzungen in der Edition Garber sowie weitere moderne Übersetzungen. Ein besonderes Augenmerk der Kommentierung wiederum liegt neben der historischen Kontextualisierung auf der Abbildung sowohl der sich in Flemings Gedichten niederschlagenden Diskurse als auch des spannungsreichen Lesemodells, das der Autor entwirft.

Nach Ablauf des 1. Förderungszeitraumes von drei Jahren sollen Edition, Übersetzung und Kommentierung der für Band 4 vorgesehenen lateinischen Texte abgeschlossen sein. Dieser umfasst die neun Bücher der Sylvae Flemings, sowie den Liber Adoptivus (Buch 10), der Gedichte und Briefe an den Autor enthält.

Darüber hinaus wird bis zu diesem Zeitpunkt die Entstehungsgeschichte der entsprechenden Texte aufgearbeitet, sowie eine Einleitung verfasst.

Nach weiteren 3 Jahren soll von latinistischer Seite Band 5 vorliegen, der die sieben (sechs vorhanden) Bücher der Manes Glogeriani und den Liber Adoptivus mit Epicedien der Freunde auf Georg Gloger umfasst.

Bis zum Ende der Gesamtlaufzeit von acht Jahren sollen auch die Bände 6 und 7 abgeschlossen sein, die Flemings zwölf Bücher Epigrammata Latina, sowie weitere, nicht in den EL enthaltene Gedichte, Briefe und andere Prosaschriften enthalten. Auch die Online-Ausgabe soll bis zum Ende der Gesamtlaufzeit fertiggestellt sein und nach dem Ablauf der moving-wall-frist publiziert werden.

Die Projektleiter*innen und -mitarbeiter*innen

Bonn

Projektleitung – PD Dr. Beate Hintzen, Prof. Dr. Gernot Michael Müller

Wissenschaftliche Mitarbeiterin –Dr. Roswitha Simons

Wissenschaftliche Hilfskraft –Yaron Malik
Studentische Hilfskräfte –Timothy Sowka und Thorben Thieme

Heidelberg

Projektleitung –Prof. Dr. Dirk Werle

Wissenschaftliche Mitarbeiterin –Dr. Katharina Worms

Studentische Mitarbeiterin –Cosima Macco
Studentische Hilfskraft –Marvin Asmussen

Trier

Projektleitung –Dr. Thomas Burch

(Wissenschaftliche) Mitarbeiterin –Sandra Weyand

Externe Experten und Expertinnen

Prof. Dr. Elisabeth Klecker (Neulateinische Philologie, Wien): Übersetzungen und Kommentierungen

Prof. Dr. Kristi Viiding (Tallinn): baltischer Kontext

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© Paul Flemming-Denkmal in Hartenstein; licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International


Ansprechpartnerin

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PD Dr. Beate Hintzen

Oberstudienrätin im Hochschuldienst für Latinistik und Gräzistik

Raum 3.002

Rabinstraße 8

53111 Bonn

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